Über den Umgang mit Hunden, die ganz große Gefühle haben

Frust, Wut, Freude - alles große Gefühle für sich, noch größer für einen Hund, der sie ganz intensiv fühlt. Ebenso ist es eine besondere und herausfordernde Aufgabe für uns Menschen, für solche Hunde zu sorgen, konfrontieren sie uns doch auch stark mit unserer eigenen Gefühlswelt (hilfe!).

Merlin kann mittlerweile relativ gut mit seinen Gefühlen umgehen und hat über die Jahre auch verschiedene Strategien dafür gelernt, was unser Zusammenleben deutlich erleichtert. Auch ich durfte mit ihm wachsen und lernen. Den Anstoß zu diesem Beitrag hat aber nicht Merlin, sondern unser letzter Hundegast geliefert. Mit seinen 1,5 Jahren ist jedes Gefühl für den jungen Viszla Rüden riesengroß und überwältigend, was sich in Übersprungshandlungen wie Hochspringen oder Zwicken, in dauerhaftem Jammern oder Winseln oder generell in völligem Überdrehtsein äußert. Ich hatte auf einmal so viel Mitgefühl für mein früheres Ich, wäre doch vieles leichter und ganz anders verlaufen, hätte ich einige wenige Dinge bereits damals schon gewusst. Hier also nun für euch, um der einen oder dem anderen das Leben möglicherweise ein kleines bisschen zu erleichtern.

Ganz am Anfang ist es mir immer am wichtigsten zu verstehen: Was kann der Hund leisten, was kann ich von ihm erwarten und wann braucht er meine Hilfe? Hat der Hund zum Beispiel gelernt, auf seinem Platz zu bleiben und auch verstanden, was das für ihn bedeutet? Nämlich Zeit für Ruhe und Entspannung? Oder steht er noch so stark unter Strom, dass er bei jeder kleinsten Gelegenheit aufspringt? Ist das der Fall, frage ich mich: Kann ich selbst es gerade zeitlich, nervlich und emotional leisten, mich in der Nähe des Hundes aufzuhalten, um ihn jedes Mal wieder zurück auf seinen Platz zu bringen, ohne dabei wütend zu werden? Wenn nicht - was gibt es für alternative Lösungsmöglichkeiten?

Das bringt mich direkt zu Punkt zwei: Wenn ich keine Kapazitäten für Diskussionen habe, ist mein allerwichtigstes Tool Management. Ich kann mir eine Hausleine zur Hilfe nehmen, mit der ich den Hund auf seinem Platz halte, ohne dass ich ständig intervenieren muss. Und ja - da kann es vorkommen, dass der Hund einfach mal aushalten muss, weil er jetzt nicht haben kann, was er will. Das schafft er und es kann auf lange Sicht helfen, seine Resilienz und Frustrationstoleranz zu stärken.

Was daher für alle, aber vor allem für junge Hunde, unverzichtbar ist: Gut und lang genug zur Ruhe zu kommen und zu schlafen. Ausreichend Schlaf hilft dabei, erlebtes zu verarbeiten und erlerntes zu integrieren. Hunde brauchen viel mehr Ruhe, als wir oft glauben: nämlich zwischen 17 und 22 Stunden am Tag. Gerade Hunde mit großen Gefühlen brauchen beim Ruhefinden oft Unterstützung, zum Beispiel in Form von einer Hausleine, Platzzuweisung, von klaren Grenzen oder Koregulation.

Koregulation - ein klingendes Wort - aber was ist das eigentlich? Koregulation kann vieles sein. Angefangen bei gewohntem Streicheln, Halten, Kontaktliegen oder Massieren, hilft es vielen Hunden auch, wenn sie körperlich begrenzt werden oder Nähe ohne Körperkontakt erhalten. Viel zu oft unterschätzt wird Atmen. Tiefe, ruhige Atemzüge in den Bauch beruhigen uns Menschen und helfen uns, unser eigenes Nervensystem zu regulieren. Das heißt auch: Die eigene Wut, den eigenen Frust, die eigenen Gefühle wahrnehmen und da sein lassen. Denn nur, wenn ich mich selbst regulieren kann, kann ich einen Hund bei seiner Regulation unterstützen.

Gerade, wenn Frust ein großes Thema ist, kann es wertvoll sein, Möglichkeiten für den Hund zu schaffen, um Frust bzw. Spannung abzubauen. Vielen hilft hier repetitive Bewegung, um - wie ja auch wir Menschen - in die Bewegung und aus dem Kopf/aus den Gefühlen zu kommen. Dauerlauf bzw. Joggen, schnelle Spaziergänge in reizarmer Umgebung oder auch Kauen sind nur wenige Beispiele.

Und zum Schluss, deshalb aber nicht weniger wichtig: Atmen. Abstand voneinander nehmen, den Hund vielleicht auch mal in Betreuung geben und um Hilfe fragen. Solche Hunde fordern uns enorm. Wenn wir Pausen von ihnen brauchen, ist das okay und gut und bedeutet auf keinen Fall, dass wir sie weniger lieb haben. Denn nur so können wir dann wieder mit aufgeladenen Batterien für sie da sein. Und nicht nur uns Menschen tut Abstand in solchen Phasen gut, unsere Hunde sind stimmungssensible Wesen. Auch sie profitieren davon, Pausen von uns und unseren Gefühlen zu bekommen.

Niemand ist Fehlerfrei, weder ich noch ihr noch unsere Hunde. Wir müssen nichts perfekt machen, oft macht es doch unperfekt viel mehr Spaß. Also nehmt euch die Pause, die ihr dringend braucht. Gebt euren Hund für ein paar Stunden oder Tage ab, oder macht mit ihm einen ausgedehnten Spaziergang an der langen Leine im Wald. Macht Dinge, die euch Spaß machen. Training und Formalismus ist nicht alles. Viel wichtiger ist es, die Freude aneinander zu behalten.